Am Freitag, den 16. Mai 2014 fand in der Handelskammer Bozen die Impulstagung des Südtiroler Frauennetzwerkes Wnet zur „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ statt. Das Thema wurde dabei aus verschiedenen Blickpunkten beleuchtet.

Wnet Vorstand mit Tila Mair, Prof. Irene Gerlach, Johanna Plasinger, Hannes Loacker, Karin Goller-Gasser und Landesrätin Waltraud Deeg
Richtungsweisend waren die Grußworte der Präsidentin des Netzwerkes, Frau Marlene Rinner, „mit dieser Impulstagung wollen wir aufzeigen, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich ist ohne lange Auszeiten und sich für Gesellschaft und Unternehmen lohnt.“
Der mit Spannung erwartete Vortrag der Hauptreferentin, Frau Prof. Irene Gerlach vom Forschungszentrum für familienbewusste Personalpolitik (FFP) am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (D), untermauerte die Rolle der Unternehmen als bedeutende Akteure und Unterstützer von Familienpolitik und zeigte familienpolitische Instrumente im europäischen Kontext auf. „Familienbewusste Personalpolitik ist vielseitig und weit mehr als ein besonderer Service für berufstätige Eltern und pflegende Angehörige; sie nützt also nicht nur den ArbeitnehmerInnen mit Familienpflichten, sondern auch ihren ArbeitgeberInnen“, so Prof. Gerlach. Meßbar ist dieser Nutzen in einer hohen Arbeitszufriedenheit, steigenden Motivation, Loyalität und Attraktivität als Arbeitgeber sowie in sinkender Fluktuation und sinkenden Personalkosten.
Den Blick auf Südtirol zeigte Frau Johanna Plasinger, Amtsdirektorin des Landesinstituts für Statistik ASTAT. Sie nahm das gesellschaftlich hoch aktuelle Thema im Zahlenkontext genauer unter die Lupe. Dabei konzentrierte sich ihr Referat – mit dem Titel „Haben Kinder nicht auch Väter?“ – vor allem auf die Gleichstellung beider Geschlechter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Referat gab Aufschluss über die gegenwärtige und zukünftige Rolle der Väter in Südtirol und die wesentlichen Ursachen für die bisher geringe Beteiligung der Männer am Familiengeschehen, sprich Haushalt und Kindererziehung. „Zwei Drittel der Männer wünschen sich mehr Zeit für die Kinder, aber drei Viertel würden einen Vollzeitjob wählen. Ist das schon als ein echter Wertewandel zu werten oder eher als sozial erwünschtes Antwortverhalten? Die Aufteilung der Tätigkeiten im Alltag und bei der Hausarbeit folgt also immer noch traditionellen Mustern. Karriere und Zeit für die Familie müssen aber für beide Partner möglich sein. Arbeitsbedingungen sind Teil der Lebensbedingungen“, folgerte Frau Plasinger und erinnerte daran, wie wichtig es ist, dass Frauen, die eigenen Bedürfnisse bewusster hörbar und sichtbar machen, wenn sie etwas entscheidend verändern wollen.
Es folgte die interessante Vorstellung zweier Südtiroler Unternehmen – Loacker Remedia und Gasser Transporte – die mit innovativen und familienfreundlichen Maßnahmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Realität werden lassen. Dabei berichteten die Firmeninhaber, Frau Karin Goller Gasser und Herr Hannes Loacker, über Ihre tägliche Praxis, die Herausforderungen und welche Rahmenbedingungen – vor allem seitens der Politik – noch notwendig wären, aber auch davon, dass die Mitarbeiter ihrerseits zu Zugeständnissen bereit sein müssen. Gemeinsam war den beiden Unternehmern nicht nur der unermüdliche Einsatz für den „Erfolgsfaktor Mensch“, sondern auch die Grundüberzeugung, dass das Möglichmachen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine gesellschaftliche Verpflichtung sei.
Die abschließende Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen aus der Politik und der Arbeitnehmerschaft zum Thema „Vereinbarkeit Beruf & Familie: Herausforderung oder Chance für Wirtschaft und Gesellschaft in Südtirol“ zeigte welche Veränderungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Zuständigkeit für die Vereinbarkeit von Familien und Beruf noch notwendig sind, insbesondre was die Rollen der Geschlechter betrifft, aber auch welche erfolgreiche Wege Unternehmen in Südtirol schon eingeschlagen haben. Landesrätin Martha Stocker sieht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf „volkswirtschaftlich als vernünftig, betriebswirtschaftlich von Vorteil, aber vor allem für Europa als eine Notwendigkeit für das zukünftige Fortbestehen als erfolgreicher Wirtschafts- und wertvoller Lebensraum.“
Die Generalsekretärin des SGBCISL Tila Mair machte darauf aufmerksam, dass „Familienfreundlichkeit nicht gleich Frauenfreundlichkeit bedeute; wohl aber Frauenfreundlichkeit für Familienfreundlichkeit stehe“. Laut ihr sind die Frauen auch selbst gefordert, ihren Beitrag zur Veränderung in der Zuständigkeit für Familie und Beruf zu leisten. Abschließend erläuterte Landesrätin Waltraud Deeg die Ziele, welche die Familienagentur in Südtirol aufgreifen wird und ermahnte, dass Familie und die damit verbundene Vereinbarkeit „nicht nur Frauenarbeit, sondern eine gesellschaftspolitische Angelegenheit sei“. Die geladenen Podiumsgäste kamen zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht allein von der öffentlichen Hand geschaffen werden können und Unternehmen sich zunehmend mit diesem Thema auseinandersetzen müssen, wenn sie kompetente Leistungsträger beiderlei Geschlechts längerfristig an sich binden wollen. Kurzum: es gibt noch viel zu tun – aber es ist einiges schon auf den Weg gebracht.
An der Tagung haben über 70 Interessierte aus Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Politik teilgenommen.
Unterstützt wurde die Veranstaltung durch das WIFI der Handelskammer Bozen, den Landesbeirat für Chancengleichheit und die Stiftung Südtiroler Sparkasse.