Kann „frau“ in Beruf und Karriere von der Digitalisierung profitieren? Und wenn ja wie? Damit befassten sich am 19.10.2021 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft bei der Impulstagung des Frauennetzwerkes Wnet-networking women im NOI Techpark in Bozen.
Den meisten von uns ist gar nicht klar, wie technisch versiert wir durch die Digitalisierung schon sind. Doch die Digitalisierung wird gerade gestaltet. Da sind sich die Expertinnen und Experten einig. Die Digitalisierung ist ein Innovationstreiber und ist bereits in allen beruflichen Sparten Realität. Sie verändere grundlegend nicht nur die Tätigkeiten der Branchen, sondern auch Unternehmen und deren Organisationen.
Wie sich Unternehmen mit der Digitalisierung verändern und wie Frauen die Chance nutzen können zeigten Prof.in Martina Schraudner, Leiterin des Center for Responsible Research and Innovation Fraunhofer IAO Berlin und Leiterin Fachgebiet „Gender und Diversity in der Technik und Produktentwicklung am Institut für Maschinenkonstruktion und Systemtechnik TU Berlin, und Prof.ssa Antonella De Angeli, Fachgebiet Mensch-Computer-Interaktion, Fakultät für Informatik an der Freien Universität Bozen, in ihren Vorträgen.
Dabei hat „frau“ bereits eine sehr gute Ausgangsposition erklärt Prof.in Martina Schraudner: „Die Digitalisierung setzt neben digitalen Grundfähigkeiten auch klassische Fähigkeiten voraus, die vor allem als weibliche Stärken gelten wie Problemlösefähigkeit, Kreativität und Anpassungsfähigkeit“. Außerdem ist die Fachfrau der folgenden Überzeugung: „Gerade die sowieso anstehenden Veränderungen in den Unternehmen sind eine Chance mehr Frauen mit einzubeziehen, die alten Stereotype auch nach außen sichtbar über Bord zu werfen und sich als ein innovatives und zukunftsgerichtetes Unternehmen zu positionieren.“ Prof.ssa Antonella De Angeli hob hingegen die geringe Frauenpräsenz bei der Spieleentwicklung und Softwareprogrammierung hervor. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Studiengänge und dem akademischen Personal der Fakultäten für Informatik sowie Naturwissenschaften und Technik nicht nur an der Freien Universität Bozen. „Ist das wirklich von Bedeutung?“ stellte Prof.ssa De Angeli die Frage in den Raum. Ja, denn Daten, Wissen, Künstliche Intelligenz und Virtuelle Realitäten werden somit mehrheitlich von Männern geprägt. Rollen- und Geschlechterstereotype werden verstärkt anstatt abgebaut. Beispiele dafür sind die Virtuellen Assistentinnen, sogenannte Chatbots, für Kundenkommunikation und Support auf Webseiten und humanoide Roboter für Sexspiele. Sie rät stark zu einer Reflexion über die eigenen Geschlechtervorstellungen. In dem von ihr mitentwickelten Spiel „Mind the Gap“ können Spielerinnen und Spieler in Rollen des anderen Geschlechts schlüpfen und die damit verbundenen Vor- und Nachteile im Beruf und sozialem Leben direkt erfahren.
Die alten Rollenstereotype wurden auch in der anschließenden Podiumsdiskussion angesprochen. Harald Oberrauch, Präsident der Durst Group AG und der Alupress AG, erzählte vom Fachkräftemangel und vor allem vom niedrigen Anteil an weiblichen Bewerbungen in seiner Branche. Er sei überzeugt „um das Potenzial des Arbeitsmarktes für die Frau zu vergrößern, muss bereits in der frühen Ausbildungangesetzt werden. Schon in der Kita bzw. im Kindergarten müssen auch technische Wissensbereiche, wie die MINT Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) speziell bei Mädchen gefördert werden.“ Da gilt wohl auch Karina Repke, Expertin für Digitale Transformation und Teilnehmerin der Podiumsdiskussion, als Vorbild. Sie hilft Unternehmen die neue digitale Realität zu erkennen und individuelle Lösungen zu erarbeiten. Dabei fungiert sie meist als Übersetzerin zwischen Technologieexperten und ihren Kunden. Ein schwieriger Job, denn 70 Prozent aller digitalen Transformationen würden scheitern, da die Unternehmen den Digitalisierungsprozess vollkommen unterschätzen. Komplettes Umdenken und Lernen ist also gefragt. Dies erfordert Mut und ganz neue Kompetenzen, nicht nur bei Frauen! Davon war auch das Publikum überzeugt. Weiter vertieft wurden die Themen beim anschließenden Aperitif in der Noisteria.
An der Impulstagung nahmen insgesamt 60 Personen teil, darunter vielen von der Freien Universität Bozen, den HR-Bereichen gar einiger großer Südtiroler Unternehmen und auch Landesrätin Waltraud Deeg, in der vergangenen Legislaturperiode zuständig für die Digitalisierung.

